Frankfurt am Main ist nicht nur internationales Finanzzentrum und einer der führenden Standorte der Finance-Forschung, sondern auch ein wichtiger Knotenpunkt der Finanzgeschichte. Das gilt im Hinblick auf die eigene Historie – als bereits vor Jahrhunderten etablierter europäischer Finanzplatz – das gilt aber auch in Bezug auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit Finanzgeschichte. In Stadt und Region sind umfangreiche finanzhistorische Quellenbestände vorhanden – und die finanzhistorische Forschung und Lehre findet vor Ort viel Aufmerksamkeit.
Die wissenschaftlich fundierte Nutzbarmachung der Finanzgeschichte voranzubringen, motivierte vor zehn Jahren die Idee einer Stiftungsgastprofessur Financial History am House of Finance, ermöglicht durch das Bankhaus Metzler sowie (bis 2017) Rothschild und die Friedrich Flick Förderungsstiftung. Seitdem verstärkt die Gastprofessur, die im jährlichen Wechsel – unterbrochen lediglich durch die Corona-Jahre – renommierte Vertreter der Zunft nach Frankfurt holt, finanzhistorische Forschung und Lehre sowie nicht zuletzt den Wissenstransfer. Denn historisch begründete Strukturen und Erfahrungen sind zwangsläufig der Horizont, in dem Finanzpraktiker und Regulatoren agieren. Zudem eignet sich die Geschichte bei entsprechender Datenbasis als Testlabor für die Belastbarkeit theoretischer Erklärungsansätze und Modelle.
Auch der achte Gast im Rahmen dieser Stiftungsprofessur an der Goethe-Universität, Marc Flandreau, Howard S. Marks Professor an der University of Pennsylvania, und einer der bekanntesten Vertreter des Fachs weltweit, steht für diese Ausrichtung auf Interdisziplinarität und Praxisorientierung. Zeitweise selbst als Chefökonom tätig, ist seine Forschung Schlüssel für das Verständnis von Entwicklungs- bzw. Handlungsmustern der Finanzmärkte und ihrer Institutionen.
Während seines Aufenthalts an der Goethe-Universität unterrichtete er mit großer Begeisterungsfähigkeit und Methodenvielfalt die Masterstudierenden zweier Studiengänge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften zum Thema Entwicklung internationaler Währungssysteme. Seine Public Lecture am 13. Juni zeigte, typisch für sein interdisziplinäres Forschungsverständnis, wie es der Londoner Börse mit Hilfe des Common Law um die Wende zum 19. Jahrhundert gelang, eine Lösung für den Umgang mit drohenden Zahlungsausfällen zu verankern. Schließlich bewies der von ihm organisierte internationale Workshop am 20. Juni über den Umgang mit Staatsschuldenkrisen im 19. und 20. Jahrhundert einmal mehr, dass für viele Vertreter der Zunft der jährliche Austausch im Kontext der Gastprofessur Financial History ein Fixpunkt der Konferenzagenda geworden ist. Frankfurt am Main ist für etablierte Finanzhistorikerinnen und -historiker ebenso wie für den wissenschaftlichen Nachwuchs immer eine Forschungsreise wert! Auch Marc Flandreau möchte wiederkommen!
Bildnachweis: Uwe Dettmar / House of Finance Goethe-Universität Frankfurt